2008 | Reisebericht Brasilien

Projekt Brasilien – Bischof Alfredo Schäffler

Besuch im August 2008.

Seit 1965 lebt Alfredo Schäffler in Brasilien. Als Religionslehrer folgte er einem bischöflichen Ruf und kümmert sich seither unter äußerst schwierigen Bedingungen um die Landbevölkerung in den ärmsten Teilen Brasiliens.

Von den zehn ärmsten Gemeinden oder Städten Brasiliens liegen acht im Bundesstaat Piauí. Das Jahreseinkommen beträgt 1370 Euro, was nur etwa ein Drittel des brasilianischen Jahresdurchschnittseinkommens ausmacht. 25,8 % der Bevölkerung können weder schreiben noch lesen. Von den restlichen 74 % beenden 22 % die Schulausbildung nicht.

33,7 % haben keinen Nachweis, dass sie existieren; die Registrierung bei der Geburt war zu teuer. Somit können sie auch keine noch so geringe staatliche Unterstützung bekommen.

Seit 2001 wirkt Bischof Alfredo in Parnaiba. Die Stadt im Bundesstaat Piauí liegt im Nordosten Brasiliens und hat etwa 160 000 Einwohner. Etwa ein Drittel davon lebt meist am Stadtrand in Favelas. In Alto Santa Maria, einem der Elendsviertel, stehen zwischen trockenem Buschland und staubigen Flächen karge Hütten aus Holz und Lehm. Oft teilen sich 12 Menschen eine Fläche von 20 qm. In der Behausung gibt es eine Feuerstelle, keinen Fußboden, nur gestampften Lehm. Die nächste Trinkwasserstelle ist 10 km weit weg. Kinder holen – wenn sie Wasser bekommen – in 5 Liter Plastikkanistern das, was in der Familie gebraucht wird. Wenn zu wenig Wasser da ist, trinken Kinder immer wieder aus verunreinigten Wasserläufen. Gerade Kleinkinder erkranken oft schwer daran und sterben.

Nur eine Frau in der Ansiedlung hat eine geregelte Arbeit als Küchenhilfe, Männer arbeiten – wenn es welche gibt – vereinzelt tageweise. Viele haben Alkoholprobleme. Kinder – oft schon als 2 oder 3 jährige leben auf der Straße, weil das Leben für sie dort noch leichter zu ertragen ist, als zu Hause. Zu essen gibt es wenig. Auf dem riesigen Stadtmüllberg suchen sie neben Scharen von Geiern nach Essensresten aus Mülltonnen oder Restaurantabfällen. Vielleicht können sie aber auch alte Plastikflaschen, Planenfetzen oder weggeworfene Schuhe zu Geld machen.

Zwei etwa 7 jährige Buben haben in mühsamer Arbeit aus Buschholz Holzkohle erstellt und sind gerade dabei, sie mit bloßen Händen aus der roten, sandigen Erde auszugraben. So können sie – falls es gelingt, die Kohle zu verkaufen – 5 Reais erlösen, etwa 2 Euro.

Als Bischof Alfredo 2001 nach Parnaiba kam, fing er als erstes an, Kinder von der Straße wegzuholen. Ebenso hatte er in Teresina, seiner früheren Wirkstätte, täglich 500 Straßenkinder in Sozialzentren betreuen lassen.

Mittlerweile gibt es 13 Sozialzentren in seiner Diözese, 10 davon in Parnaiba. Insgesamt werden etwa 500 Kinder im Alter von 3 – 6 Jahren (Vorschulalter) pro Tag aufgenommen. Die scheunenartigen Gebäude sind einfach gehalten, unverputzte Wände, die Fenster als bloße Maueröffnungen ohne Glas, der Boden oft gestampft oder betoniert. Es gibt einen großen Gruppenraum, eine kleine Küche sowie Toiletten. Zwei oder drei Frauen kümmern sich um die Verpflegung und Erziehung der ca. 40 – 50 Kinder. Einmal pro Tag wird den Kindern eine (warme) Mahlzeit bereitet, meist eine Mischung aus Bohnen, Reis, Kartoffeln, Manjok und ein wenig Fleisch. Ein paar größere (Schul-)Kinder helfen mit bei der Betreuung. Dafür bekommen sie zu essen. Nachmittags um 14.00 werden sie wieder nach Hause oder besser auf die Straße geschickt, bis sie am nächsten Morgen um 8.00 wieder vor dem abgeriegelten Gebäude warten.

Mit seiner Arbeit hilft Bischof Alfredo in mehreren Formen:

Es werden Zisternen gebaut, die in der Regenzeit etwa 15 000 Liter Wasser speichern. Regenwasser – auch wenn es über Dächer läuft – ist allemal sauberer als Abwasserläufe.

Seit einigen Jahren läuft ein Programm mit der Bezeichnung „Kinderseelsorge“. Darin werden von ausgebildeten Helferinnen knapp 500 schwangere Frauen sowie 8600 Kleinkinder betreut. Die Frauen werden beraten, es gibt für die Kleinkinder zur Beifütterung ebenso für die Schwangeren als Nahrungsergänzung einen speziellen Brei. Das Pulver enthält wichtige Vitamine, Mineralien und Spurenelemente, die aus einer Zusammensetzung heimischer Samen und Früchte stammen. Mit Hilfe dieses Programms ist es erstmals im vergangenen Halbjahr gelungen, dass innerhalb der betreuten Familien kein einziges Kleinkind an einer Darmerkrankung bzw. Unterernährung starb. Einmal im Monat gibt es eine „Feier des Lebens“: Die Mütter bringen die kleinen Kinder. Sie werden gewogen und die Gewichtszunahme notiert.

Allerdings fängt das Programm bisher erst etwa 20 % der Kleinkinder, die in extremer Armut leben, auf.

Auch wenn Kinder für nur einige Stunden pro Tag in ein Sozialzentrum kommen können, sie erhalten eine Mahlzeit, Erziehung und lernen den sozialen Umgang miteinander.

Dort, wo ein Sozialzentrum entstanden ist, findet Gemeinschaftsleben statt: Mütter oder Großeltern bringen und holen die Kinder ab und kommen miteinander ins Gespräch. Innerhalb der Pfarreien gibt es unterschiedliche christliche Gruppen mit einem enormen Engagement zur gegenseitigen Hilfe. Aus ihnen kommen viele Freiwillige, die kochen, bauen oder andere Hilfsarbeiten anbieten.